Ehrungen der ELG in der Hamburger Kunsthalle

Am Vorabend der 2. Deutschen Schachmeisterschaft für Künstler, Kunsthistoriker, Journalisten und Verleger lud die ELG zu einem Kulturabend in die Hamburger Kunsthalle ein, um im angemessenen Rahmen Hamburg als Kultur-, Kunst- und Schachmetropole zu feiern und dabei drei Schachfreunde aus Hamburg für ihre Verdienste zur Förderung des Schachs als Sport, Kultur- und Bildungsgut sowie der Verbreitung des Schachs in den Medien zu ehren. Die Gäste wurden von Thomas Weischede, dem Vorstandsvorsitzenden der ELG, begrüßt, der am gesamten Wochenende tatkräftig von seinem Team Kathleen Kremp und Genna Janitza unterstützt wurde. 

Genna Janitza, Thomas Weischede und Kathleen Kremp (Foto: Nadja Wittmann)

Unter den Gästen befanden sich namhafte Persönlichkeiten des deutschen Schachs, unter anderem Frederic Friedel und Rainer Woisin von ChessBase.

Rainer Woisin und Frederic Friedel (Foto: Nadja Wittmann)

Für die ELG war es eine besondere Ehre, mit dem Kulturabend und der Meisterschaft in der Hamburger Kunsthalle zu Gast sein zu dürfen. Thomas Weischede verglich dies mit einer Aufnahme in den Olymp der Künste, was kaum noch zu überbietende Maßstäbe für künftige Meisterschaften setzen würde. Er bedankte sich namentlich bei Frau Dr. Karin Schick, der Leiterin der Sammlung Klassische Moderne der Hamburger Kunsthalle, und Herrn Christian Auffarth, ohne deren engagierte Unterstützung das Event nicht möglich gewesen wäre. 

Dr. Karin Schick (Foto: Nadja Wittmann)

Für die Hamburger Kunsthalle sprach Frau Dr. Schick ein mit viel Applaus gewürdigtes Grußwort. Ebenso eloquent wie unterhaltsam betonte sie die enge und lange Verbindung des Schachs zu den Künsten und bereicherte das Publikum mit unterhaltsamen und geistreichen An- und Einsichten einer Kunstexpertin zur Wahrnehmung des Schachs in der Kunstwelt. Angesichts des versammelten Kunstverstandes unter den Gästen war dies eine Meisterleistung, die als Einstieg in die anschließenden Ehrungen nicht besser hätte sein können. Vergeben wurde eine Vera 2018, ein Tartakower 2022 und ein Lasker 2022.

In seiner Laudatio für die Preisträger wies Thomas Weischede darauf hin, dass das Event ohne die Künstler der Hamburger Sezession nicht denkbar gewesen wäre. Diese Künstler schlossen sich vor über 100 Jahren zusammen, um die Kunstwelt fortzuentwickeln und zu bereichern, was ihnen über die Grenzen Hamburgs hinaus nachhaltig gelungen ist. Berühmt war diese Sezession dabei auch für ihre Feste und Feiern, in denen nicht selten politische Themen humoristisch aufgegriffen wurden. Ziel der Kritik war vielfach die Nazi-Bewegung, so dass es kaum verwundert, dass nach deren Machtergreifung als erste Kunstausstellung überhaupt eine Ausstellung der Hamburger Sezessionisten verboten wurde. Als später auch noch angeordnet wurde, dass jüdische Mitglieder zwangsweise ausgeschlossen werden sollten, erklärten sich alle Mitglieder solidarisch und lösten die Hamburger Sezession mit einer rauschenden Champagner-Party insgesamt auf. Die Werke der Künstler haben den nationalsozialistischen Terror überstanden und waren vor kurzem in einer Ausstellung der Salongalerie „Die Möwe“ in Berlin zu sehen. Auf der Vernissage hielt Frau Dr. Schick die Laudatio, was der dabei anwesende Thomas Weischede spontan nutze, um die Idee für die Ausrichtung der nächsten Deutschen Künstlermeisterschaft in der Hamburger Kunsthalle zu entwickeln. Der Kulturabend zeigte, auf welch fruchtbaren Boden diese Idee gefallen ist.

Claudia Wall (Mitte) und Dr. Karin Schick (Foto: Salongalerie „Die Möwe“)

Das Schicksal vieler Künstler der Hamburger Sezession ähnelte dem Schicksal Laskers. Beispielhaft verwies Thomas Weischede auf Alma del Banco, die wie Lasker am 24. Dezember geboren wurde, aber sechs Jahre älter war, mit Anfang 30 die Kunstwelt eroberte, die Hamburger Sezession mitgegründet hat und bis zum Naziterror ein reichhaltiges Werk geschaffen hatte, das mit dem Bild „Die Japanerin“ exemplarisch Aufnahme in die Hamburger Kunsthalle gefunden hatte, der sicherlich zu Recht auch als der „Louvre des Nordens“ bezeichnet werden kann. Alma del Banco floh nicht, sondern blieb in Deutschland und arbeitete im Verborgenen weiter an ihren Werken. Als sie Anfang 1943 ihren Deportationsbefehl erhielt, wählte sie den Freitod. Als Zeitgenössin Laskers, der zwei Jahre vorher in New York verstorben war, steht sie damit zusammen mit ihm für die berührenden Schicksale vieler jüdischer Mitbürger, an deren freien Geist und fortwirkendes Schaffen die ELG gerade mit solchen Veranstaltungen erinnern möchte. Schach soll dabei ebenso wie die Künste eine Brücke schlagen, um Menschen auf der Grundlage von Toleranz, Fairness und Respekt miteinander zu verbinden. Gerade deswegen lautet der Slogan der ELG auch „Share the values of chess with us“, der auch auf dem aktuellen Ukraine-Aufkleber der ELG abgebildet ist. Denn die ELG ist zwar gemeinnützig, aber nicht wertfrei und dient gerade dazu, im Sinne Lasker die Werte des Schachs zu verbreiten.

Als erstes wurde Jade Schmidt geehrt, die im weltweit gefeierten Laskerjahr 2018 die Frauenwertung der 1. Deutschen Schachmeisterschaft für Künstler, Kunsthistoriker, Journalisten und Verleger gewonnen hatte. Da die ELG erst in 2022, dem Jahr der Frau im Schach, mit der Vera einen neuen Preis für schachsportliche Leistungen initiiert hat, konnte die Trophäe damals noch nicht verliehen werden. Das Event war der beste Anlass, dieses Versäumnis nachzuholen.

Thomas Weischede und Jade Schmidt (Foto: Nadja Wittmann)

Der Preis Vera erinnert an die erste Schachweltmeisterin der Frauen, Vera Menchik, die den Titel 1927 errang und bis zu ihrem Tod 1944 innehatte. Auch sie wurde ein Opfer des Naziterrors. Sie starb bei einem deutschen Bombenangriff auf London. Jade Schmidt ist selbst eine erstklassige Schachspielerin. Sie spielte für das Frauenteam des Hamburger Schachklubs von 1930 in der ersten Bundesliga und war 2019 auch Hamburger Landesmeisterin. In einer emotionalen Rede dankte sie für den Preis und betonte zu Recht, dass das damit verbundene Engagement insbesondere das sog. Frauenschach zu fördern, sehr zu begrüßen sei (www.jade-schmidt.de). Thomas Weischede griff dies dankbar auf und wies daraufhin, dass die ELG über die Vera-Preise hinaus gerade mit diesem Ziel das informelle Bündnis „Schach für alle, alle für Schach“ ins Leben gerufen habe und mit der Schachstiftung GK und der SG Löberitz bereits erste Mitstreiter dafür gefunden habe.

Christine Giebel, Rebekka Schuster und Anna Endress (Foto: Nadja Wittmann)

Als zweites wurde der Internationale Meister Georgios Souleidis mit einem Tartakower 2022 geehrt. Der Preis erinnert an Dr. Savielly Tartakower, einem Weltklassespieler zu Zeiten des alten Laskers, als dieser immer noch in der Weltklasse mitspielte. Tartakowers bewegtes Leben war ebenfalls durch die Umbrüche geprägt, die die beiden Weltkriege verursacht haben. Wie Lasker im heutigen Polen geboren, wurde er später französischer Staatsbürger, nachdem er in der Résistance gegen Nazi-Deutschland gekämpft hatte. In der Schachwelt war Tartakower nicht nur als starker Spieler, sondern vor allem als unterhaltsamer Kommentator von Schachpartien bekannt, was er zu einer eigenen Kunst entwickelte. Zu Recht trägt der Preis, der die Verbreitung des Schachs in den Medien dienen soll, daher seinen Namen. Der Preisträger wurde dafür geehrt, dass er in der Pandemie unter dem Namen „The Big Greek“ einen eigenen YouTube-Kanal zur „gepflegten Vermittlung königlichen Wissens“ eröffnet und zu einer festen Größe in der deutschen Medienwelt entwickelt hat, dem oft weit über 100.000 Schachfreunde folgen. Eine wahrhaft beeindruckende Leistung. Dabei beleuchtet er fachkundig und launig alle Aspekte des Schachs gleichermaßen, was sicherlich mitursächlich für diesen enormen Erfolg ist.

Thomas Weischede und Georgios Souleidis (Foto: Nadja Wittmann)

In seiner Dankesrede betonte der Preisträger, wie inspirierend er selbst seine tägliche Arbeit empfindet und es noch viele Facetten des Schachs gäbe, die darzustellen wären. Da tägliche neue Facetten hinzukamen, wäre diese Aufgabe zwar anstrengend, aber ebenso abwechslungsreich wie aufregend. Er lud dazu ein, ihn auf seinen spannenden Reisen durch die Schachwelt zu begleiten und war besonders stolz darauf, als erster mit dem 2022 neu geschaffenen Tartakower-Preis ausgezeichnet worden zu sein. Er kündigte aber auch an, an der Deutschen Meisterschaft am Folgetag teilzunehmen, um auch noch den für den dortigen Sieg ausgelobten Viktor 2022 zu gewinnen. Thomas Weischede griff dies gern auf und regte an, künftig einmal täglich dem Preisträger auf seinem Kanal „The Big Greek“ zu folgen.

Georgios Souleidis (Foto: Nadja Wittmann)

Als Drittes wurde Christian Zickelbein mit einem Lasker 2022 geehrt. Thomas Weischede gestand offen ein, dass er gehörigen Respekt und sogar ein wenig „Bammel“ vor dieser Ehrung gehabt habe, weil das lange ehrenamtliche Wirken von Christian Zickelbein, das 1956 begonnen habe und seitdem weit über die Grenzen von Hamburg hinaus die gesamte deutsche Schachwelt mitgeprägt hat, eigentlich in einer Laudatio allein gar nicht angemessen gewürdigt werden könne. Dies sei das Dilemma, wenn ein Legende geehrt würde. Er räumte ein, bei der charmanten Tochter des Preisträgers, Eva Maria Zickelbein, um Hilfe nachgesucht zu haben, die sie auch bereitwillig gewährte. Binnen Kürze wurden zahlreiche Würdigungen zum 60., 70. und 75. Geburtstag des Preisträgers übermittelt, deren Inhalt allein aber für eine abendfüllende Rede ausreichend gewesen wäre. Im Telefonat offenbarte die Tochter aber noch zwei öffentlich weniger bekannte Eigenschaften des Preisträgers, die Thomas Weischede besonders beeindruckten, weil sie einerseits die Liebe des Preisträgers zum Schach und zu den Mitmenschen verdeutlichen würden und andererseits verraten, wie eine solche fast übermenschliche Leistung überhaupt möglich sei. Der erste Aspekt besteht darin, dass Christian Zickelbein noch an Menschen geglaubt und festgehalten hat, die andere schon lange aufgegeben hatten. Oft genug hat er dabei Recht behalten. Der zweite Aspekt besteht in seiner geradezu preußisch zu nennenden Pflichterfüllung, die sich mit einer nimmermüden Energie allen selbst und fremdgestellten Aufgaben widmet. Dass der Preisträger dabei im Alter von 85 Jahren noch um Mitternacht auf der Homepage des HSK Berichte über Spiele der unteren Mannschaften veröffentlicht, belegt dieses Engagement und zeigt zugleich, dass ihm, der als langjähriger Sprecher der Schachbundesliga auf allerhöchstem schachsportlichen Niveau gewirkt hat, jeder Spieler gleichermaßen am Herzen liegt. Damit lebe er wahrlich die Werte des Schachs tagtäglich vor.

Übergabe des Laskers durch Thomas Weischede an Christian Zickelbein (Foto: Nadja Wittmann)

Sichtlich gerührt nahm Christian Zickelbein die Ehrung entgegen. In der ihm üblichen Bescheidenheit wollte er seine Leistungen nicht überbetont wissen, wies aber darauf hin, dass ihn gerade Anlass und Ort der Ehrung deswegen besonders berühren würden, weil seine Ehefrau als Freundin der Hamburger Kunsthalle dort ihre Heimat gefunden habe, die er für sich im Schach gefunden habe. Dass beides nun an diesem Ort in Anwesenheit seiner Ehefrau über diese Ehrung zusammengeführt würde, sei die größte Freude, die ihm hätte bereitet werden können. 

Christian Zickelbein
(Foto: Nadja Wittmann)
Frau Zickelbein und Tochter Eva Maria Zickelbein (Foto: Nadja Wittmann)

Alle drei Preisträger ließen es sich nicht nehmen, gemeinsam ein Erinnerungsfoto zu fertigen. Unschwer ist im Hintergrund die Binnenalster zu erkennen. Auch alle Wettergötter waren den Preisträgern an dem Abend hold. (Foto: Nadja Wittmann)

Im Anschluss an die Ehrungen gab der berühmte Kabarettist Matthias Deutschmann noch eine überaus gelungene Kostprobe seines Könnens, die viele Bezüge zur aktuellen Politik und zum Schach beinhaltete. Ebenso unterhaltsam wie anregend machte er Appetit auf sein aktuelles Programm, das mit Auslaufen der Pandemie endlich wieder auf die Bühne gebracht werden kann.

Matthias Deutschmann (Foto: Nadja Wittmann)

Zum Abschluss gab es noch ein geselliges Get-Together, was viele Gäste nutzen, um alte Kontakte zu pflegen und neue Kontakte zu knüpfen. Unter den Gästen war dabei mit Thorsten Freier und Sven Wind auch die Geschäftsführung von baubüro.eins, die das Event mit einer großzügigen Spende unterstützt haben.

Foto: Nadja Wittmann
Foto: Nadja Wittmann

Der Kulturabend fand dabei in dem Restaurant „The Cube“ statt, dessen Team mit einem vorzüglichen Service aufwartete, der dem Abend, dem Ort und dem Anlass mehr als nur gerecht wurde und nur lobend weiterempfohlen werden kann.

Foto: Nadja Wittmann

Gegen 21.30 Uhr endete der gesellige Kulturabend, damit sich alle noch auf die Deutsche Schachmeisterschaft vorbereiten konnten, die am Folgetag im Werner-Otto-Saal der Hamburger Kunsthalle ausgetragen wurde. Dazu wird es aber noch einen gesonderten Bericht auf dieser Homepage geben.

Berlin, im September 2022