Vom 17.07.-26.07.2024 konnte seitens des Dresdner Vereins ChessClub4Kids e.V. in Kooperation mit dem Stettiner Schachclub KSz Gryf Szczecin das nunmehr IV. Deutsch-Polnische Integrative Schachcamp in der polnischen Kleinstadt Dźwirzyno durchgeführt werden. Der im Vergleich zu den Vorjahren ferienbedingt frühere Termin führte dazu, dass einige langjährige Teilnehmer aus den südlichen Bundesländern leider nicht wieder mit dabei sein konnten. Diese Lücke konnte jedoch frühzeitig durch eine Vielzahl neuer Gesichter gefüllt werden, sodass sich die Organisatoren über die Anmeldungen von insgesamt 22 deutschen und 33 polnischen Kindern und Jugendlichen freuen konnten.
Für die meisten Teilnehmer erfolgte die Anreise per Bustransfer über Szczecin zu unserem idyllisch gelegenen Ferienobjekt „Komandor“, unweit der schönen und breiten Sandstrände an der polnischen Ostseeküste. Nach der Einteilung der Gruppen und den ersten Kennenlernspielen fieberten alle den klassischen Turnierpartien entgegen, die in diesem Jahr in drei Gruppen A, B und C über insgesamt 7 Runden im Modus 60 min + 30 sec je Zug gespielt wurden. Die daran anschließenden Partieanalysen wurden für die deutschen Teilnehmer von unseren beiden Trainern Jasper Heinke sowie Kasimir Lieberwirth mit großem Engagement durchgeführt, wodurch die Kinder wertvolle Anregungen für den weiteren Turnierverlauf erhielten. Wichtige Aspekte zur Verfeinerung der individuellen Spielstärke bot darüber hinaus auch das tägliche Schachtraining, welches ebenfalls in mehreren altersgerechten Gruppen stattfand.
Neben den klassischen Schachpartien stellte der Besuch der in Polen geborenen und aktuell in Deutschland lebenden Schachspielerin und weiblichen Großmeisterin (WGM) Marta Michna ein besonderes Highlight für unsere Teilnehmer dar. Zu ihren größten Erfolgen zählen der Gewinn der Jugend-Europameisterschaft sowie der Weltmeisterschaft in der Altersklasse U18. Zweimal war sie zudem Landesmeisterin von Polen. Direkt nach ihrer Ankunft bot sie unseren Schützlingen ein besonderes Spektakel, in dem sie zeitgleich gegen jeweils vier Kinder eine Blitz-Partie spielte, wobei sie für einen Sieg mindestens 2,5 aus 4 möglichen Punkten holen musste. Dabei durften tatsächlich alle interessierten Teilnehmer einmal in selbst gewählten Teams gegen sie antreten, was allen große Freude bereitete, insbesondere wenn es durch geschicktes Manövrieren gelang, der weiblichen Großmeisterin einen Sieg durch Zeitablauf abzutrotzen. Am Folgetag spielte Marta Michna dann bei herrlichstem Sonnenschein an 40 Brettern gegen 55 Kinder simultan, wobei einige unserer Teilnehmer neben einem begehrten Autogramm sogar einen ganzen Punkt verbuchen konnten.
Am 20.07. beteiligten wir uns mit einem 9-Runden-Schnellschachturnier an dem erfolgreichen Guinness-Weltrekord-Versuch der FIDE anlässlich des Internationalen Tags des Schachs. Rapid-Chess-Champion des Camps wurde Filip Pawlicz vom Schachklub Szczecin mit 7,5 aus 9 Punkten. Die Ergebnisse des Turniers können hier nachgelesen werden.
Am selbigen Tag stand das Schachtraining dann ganz im Zeichen von Emanuel Lasker, dem bisher einzigen deutschen Schachweltmeister, der im heutigen Polen geboren wurde und somit eine ideale Identitätsfigur für unser deutsch-polnisches Projekt darstellt. Wir nutzten diese Gelegenheit, unseren Teilnehmern nicht nur einige seiner herausragenden Partien näher zu bringen, sondern um gleichzeitig die in Berlin ansässige Emanuel Lasker Gesellschaft (ELG) vorzustellen, die unser Projekt seit diesem Jahr finanziell unterstützt. Dieses Wissen konnten die Kinder anschließend in einem interaktiven Schachquizz anwenden.
Das tägliche Schachtraining wechselte sich in mehreren Zeitblöcken mit regelmäßigen gruppengebunden Integrationsspielen ab, die von unseren beiden erfahrenen Teamer-Innen Natalia und Kasia abwechslungsreich vorbereitet wurden. Der Fokus dieser Aktivitäten lag insbesondere auf dem gegenseitigen Kennenlernen der deutschen und polnischen Kinder, sodass diese auch abseits der 64 Felder Anregungen zum Austausch erhielten. In diesem Jahr konnte dieser Aspekt durch einige gemischtsprachige Zimmer noch verstärkt werden, wodurch die Teilnehmer auch ohne externe Anleitung selbständig lernten, sich miteinander zu verständigen.
Diese länderübergreifende Integration ist Kerninhalt des seit nunmehr fünf Jahren bestehenden Projektes ChessCamp4Kids. Gemäß dem Motto der FIDE „Gens una sumus“ möchten wir zeigen, dass wir alle einer großen Familie angehören, unabhängig von Sprache, Kultur oder Herkunft. Die Wichtigkeit dieses Themas kann vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren leider wieder verstärkt auftretenden internationalen Konflikte nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unser Projekt trägt somit dazu bei, Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern zusammen zu bringen, um vorurteilsfrei miteinander zu spielen und sich gegenseitig wertzuschätzen.
Das während unseres Aufenthalts nahezu jederzeit hervorragende Wetter konnten wir neben den „offiziell“ geplanten Schachaktivitäten auch für viele Freizeitangebote nutzen. Große Begeisterung erweckten die Fahrt mit dem Banana-Boot sowie eine rasante „Adrenalin-Fahrt“ mit dem Schnellboot. Da die Kinder natürlich auch in ihrer Freizeit sehr gern Schach spielten, konnten wir an zwei Nachmittagen ein Kondi-Blitz-Turnier am Strand durchführen, bei welchem die Kinder in mehreren Teams erst zum Schachbrett rennen mussten, bevor sie den nächsten Zug ausführen konnten. Natürlich durften auch in diesem Jahr die sehr beliebten Tandemschach– sowie Hand & Brain -Turniere im Gesamtprogramm nicht fehlen, wobei diese jeweils in deutsch-polnischen Zweierteams ausgespielt wurden, sodass die Kinder auch hier wiederum ihre kommunikativen Fähigkeiten unter Beweis stellen durften.
Der vorletzte Tag bot dann die mit Spannung erwartete letzte Runde der klassischen Turnierpartien. In Gruppe A konnte sich schlussendlich der polnische Schachfreund Bernard Zenker vom AZs Poznan mit 6,5 aus 7 möglichen Punkten knapp vor Maximilian Alheit vom SV Striesen und Filip Pawlicz vom KSz Gryf Szczecin durchsetzen. In Gruppe B behielt Julia Gancarz vom GKSz Gubin knapp die Oberhand vor Peer Kettner vom TuS Wunstorf und Daniel Cydzik vom KSz Gryf Szczecin. In Gruppe C siegte schließlich Szymon Maślanka vor Szymon Wierciak und Darius Jenkins.
Am letzten Abend spielten wir dann noch ein FIDE-ausgewertetes Blitzschachturnier im Modus 3 min + 2 sec je Zug aus. Wie schon im Rapid-Turnier konnte sich nach 9 Runden auch hierbei Filip Pawlicz vom KSz Gryf Szczecin die Siegerkrone aufsetzen. Die Siegerehrungen fanden schließlich am letzten Tag statt, bevor sich alle schon wieder voneinander verabschieden mussten.
Somit vergingen die zehn intensiven Tage sehr schnell und nicht wenige unserer Teilnehmer waren traurig, ihre neu hinzugewonnen Freunde erst im nächsten Jahr wiedersehen zu können. Wir danken allen Teilnehmern sowie dem gesamten Betreuer- und Trainerteam für das Gelingen dieser Veranstaltung. Ein besonderer Dank gilt dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk sowie der Emanuel Lasker Gesellschaft für die finanzielle Unterstützung unseres Projektes.
Dresden, im August 2024
Andi Zemmrich