Am 24. April 2025 ist unerwartet unser Gründungsmitglied Dr. Fritz Baumbach verstorben. Mit großer Trauer nimmt die ELG Abschied von einem guten Freund, der das Schach und das Leben liebte. Der ELG war er stets aufs engste verbunden und hat in den letzten 24 Jahren viele gemeinsame Veranstaltungen geprägt. Noch vor kurzem hat ihn sein enger Freund und Fernschachkollege Dr. Matthias Kribben mit einem Beitrag gewürdigt, weil der stets unermüdliche Fritz noch souverän das dritte Nestorenturnier des DSB mit phantastischen 6 Punkten aus sieben Runden für sich entscheiden konnte (Link). Einer seiner vielen Erfolge in einer langen Liste, die bis zum Weltmeister und Olympiasieger reichen. Wahrlich beeindruckend.
Nun müssen wir völlig unerwartet Abschied nehmen. Sein Freund Paul Werner Wagner würdigt ihn mit dem nachfolgenden persönlichen Nachruf, der heute auch bei ChessBase veröffentlicht wurde und zeigt, was für ein feiner Kerl Fritz war:
Mich erreichte die traurige Nachricht, dass Dr. Friedrich Baumbach am 24. April 2025 in einem Berliner Krankenhaus verstorben ist. Weil mich mit Fritz Baumbach eine über 50 Jahre währende herzliche Freundschaft verband, möchte ich gern auf sein Leben mit Schach zurückblicken.
Am 8. September 1935 wurde Friedrich Baumbach in der Goethestadt Weimar geboren. Seine frühe Kindheit verbrachte er im thüringischen Dorf Buttelstedt, wo seine Familie ein Rittergut besaß. Sein Vater fiel im Zweiten Weltkrieg. Der Grundbesitz der Baumbachs wurde durch die Bodenreform im Herbst 1945 enteignet. Daraufhin zog Mutter Baumbach mit ihren beiden Söhnen Friedrich und Georg nach Gera-Untermhaus.

Das Schachspiel erlernte Friedrich mit dreizehn Jahren von einem Nachbarjungen. Fritz, wie ihn seine Freunden nannten, nahm zuerst an Schulschachveranstaltungen teil. Seine ersten Erfolge motivierten ihn, sich dem Schachverein SG Gera-Untermhaus anzuschließen. Später wechselte er zur höherklassigen Betriebssportgemeinschaft RFT Gera. Der Geraer Spitzenspieler Karl Gebauer war sein erster Trainer. Fritz Baumbach erinnerte sich im Gespräch, dass dieser Trainer immer in Steno auf sein Partieformular schrieb: „Was droht?“.
In der Geraer Marienkirche wurde Fritz Baumbach konfirmiert. Sein erstes Schachlehrbuch war der „Dufresne“, den er bald fast auswendig kannte. An den dort publizierten Meisterpartien von Steinitz, Zukertort, Lasker, Capablanca und Aljechin schulte er sein Spielverständnis. Durch eine Annonce kam er zum Fernschach und fand Gefallen daran. Der aufgeweckte Junge interessierte sich neben Schach auch für das Geraer Theater. Leidenschaftlich gern besuchte er die dortigen Vorstellungen. Der Umzug der Familie nach Berlin 1951 eröffnete ihm neue Möglichkeiten im Schach. Fritz schloss sich der Schachgemeinschaft Lichtenberg 47 an. Mit der Jugendmannschaft, der auch Werner Golz, Bodo Starck und Olaf Thal angehörten, wurde er 1953 DDR-Meister. Bald wechselte er zum stärksten Ostberliner Klub Union Oberschöneweide und blieb dem Verein treu, so oft dessen Name sich auch änderte: SC Motor, TSG Oberschöneweide, TSC Oberschöneweide, TSC Berlin DAW Berlin, AdW Berlin und SC Friesen-Lichtenberg. AdW Berlin zählte zur DDR-Spitze und wurde mehrfach Mannschaftsmeister. Baumbach hatte Spieler von Format an seiner Seite, wie Reinhard Fuchs, Lothar Zinn, Werner Golz, Horst Handel, Olaf Thal, Dieter Brüntrup, Hartmut Badestein, Wolfgang Thormann, Hermann Brameyer und einen sehr guten Klubtrainer in Hans Platz.
Dreizehnmal nahm Fritz Baumbach an der DDR-Einzelmeisterschaft teil. Ließ er 1968 bereits mit dem Vizemeistertitel aufhorchen, glich sein Titelgewinn bei der DDR-Einzelmeisterschaft 1970 einer Sensation. In der DDR-Schachzeitschrift war dazu zu lesen:
„Auch nicht gerade als Favorit ging der meisterschaftserfahrene Dr. Baumbach in den Kampf. Er ist seiner Spielweise nach kein Himmelsstürmer. Sachlichkeit, Nüchternheit und Zweckmäßigkeit kennzeichnen seinen Stil. Auch sich selbst gegenüber lässt er es an Objektivität nicht fehlen. Schon mehrfach konnte er in den letzten Jahren im Verlaufe einer Meisterschaft zeitweilig Positionen in der Spitzengruppe einnehmen, und mehrfach fehlte es zum Schluß an Spielkraft, an Kondition. In Freiberg teilte er seine Kräfte ein, speicherte neue Kraft durch häufige Skitouren und entwickelte eine außerordentliche Energie, als sich für ihn Titelchancen ergaben. Gern lässt er in seinen Partien den Gegner kommen, ist auch bereit, stundenlang schwere Verteidigungen auf sich zu nehmen, und ergreift seine Chancen, sobald sich diese bieten. Diese Spielweise, die das Streben nach Initiative nicht absolut in den Vordergrund stellt, ist zwar nach heutiger Auffassung nicht so modern, doch hat nach einem Wort von Großmeister Keres jeder Stil seine Berechtigung, solange er Erfolge bringt.“
Als frischgebackener DDR-Meister qualifizierte er sich für die Schacholympiade in Siegen, wo er ein gutes Ergebnis als Reservespieler 3+3= erzielte. Besonders das Remis mit Schwarz gegen den sowjetischen Ex-Weltmeister Smyslow verdiente Anerkennung. Auch am Erfolg bei der Mannschaftseuropameisterschaft in Kapfenberg hatte er seinen Anteil. Die DDR gewann die Bronzemedaille. Seine erste Berufung in die Nationalmannschaft erfolgte bereits 1958 für den Länderkampf gegen Rumänien. Fritz Baumbach kam insgesamt auf 37 Einsätze, darunter allein bei drei Studentenweltmeisterschaften. Seine beruflichen Verpflichtungen ließen es nicht zu, regelmäßig internationale Turniere zu spielen. Sein Titel blieb der FIDE-Meister.

Fritz Baumbach war im Schach unglaublich aktiv. Er beschäftigte sich bis zu zehn Stunden am Tag mit Schach. Er spielte Mannschaftswettkämpfe für SC Friesen und im Betriebsschach für die Deutsche Bahn. In den letzten zwei Jahrzehnten dominierten Seniorenschach-Turniere. Regelmäßig war er Gast in Binz bei den Mecklenburgischen Seniorenmeisterschaften und in Misdroj (Polen) bei den Brandenburgischen Seniorenmeisterschaften. Die Sammlung mit seinen Pokalen und Urkunden wuchs beträchtlich.
Seit seiner Jugend spielte Fritz Baumbach intensiv Fernschach. Hier errang er seine größten Erfolge: 1982 Vizeweltmeister und 1988 Weltmeister. Zweimal wurde er bei Schacholympiaden Mannschaftsweltmeister. Im Fernschach sah Fritz Baumbach einen guten Trainingsfaktor, weil man gezwungen war, sich ständig mit Schach zu befassen. Direkt vermittelte ihm das Fernschach gute Eröffnungskenntnisse und analytische Fähigkeiten.
Ein Kuriosum war der Gewinn der Bronzemedaille bei der X. FS-Olympiade mit einer Auswahl der nicht mehr existierenden DDR. Fünf Jahre nach deren Untergang gelang „ein letzter Triumph des Sozialismus“. Dazu meinte Fritz Baumbach süffisant: „Staaten kommen und gehen, das Schach bleibt!“
Auch als Schachautor war er aktiv: Drei Bücher zum Thema Fernschach und mit Wolfgang Thormann 1993 ein kleines Kombinationsbuch “Die Schachuhr läuft. Ihr Zug bitte“.
Fritz Baumbach hat sich auch als Schachfunktionär Verdienste erworben. Von 1993 bis 2010 war er Präsident des Deutschen Fernschachbundes und von 1995 bis 1999 Generalsekretär vom Weltfernschachbund. Er trainierte von 1970 bis 1990 die DDR-Mannschaft der Gehörlosen, die 1974 bei der WM in Dänemark den 2. Platz belegte.
Fritz Baumbach hat all meine Schachaktivitäten aktiv begleitet und unterstützt. Es begann 1982 mit meiner Reihe „Schachcafé“ im Sport- und Erholungszentrum Berlin, wo er als Gesprächspartner und Simultanspieler auftrat. Er war 2001 Gründungsmitglied der Emanuel Lasker Gesellschaft. Zweimal war er mein Gesprächspartner beim Lasker-Schachtreff. Im April 2002 im Künstlerklub DIE MÖWE und im September 2014 im Café Sybille gemeinsam mit Fernschachgroßmeister Dr. Matthias Kribben.

Er spielte 2008 simultan bei „Zug um Zug-Schachfestival im Berliner Hauptbahnhof“. Im Oktober 2015 war Fritz einer der Gesprächspartner im Symposium „Schach (in) der DDR“ in Dresden.

Noch ein Rückblick auf sein reiches Berufsleben:
Nach dem Abitur studierte Fritz ab 1953 Chemie an der Humboldt Universität zu Berlin. Nach dem erfolgreichen Diplom-Studienabschluss blieb er als Assistent an der Universität und promovierte 1966 zum Dr. rer. nat.
Fritz Baumbach wechselte zur Akademie der Wissenschaften und absolvierte dort zusätzlich ein dreijähriges Postgraduales Studium zum Patentingenieur. Im Patentwesen für Biochemie und Gentechnik fand er bei der AdW eine interessante Aufgabe. Ab 1999 arbeitete er bis zu seinem 85 Lebensjahr freiberuflich als Patentanwalt. In Berlin-Buch, auf dem Gelände der ehemaligen Robert-Rössle-Klinik, hatte er fast fünfzig Jahre lang sein Büro.
Drei Tage nach seinem Sieg beim 3. Nestorenturnier in Undeloh in der Lüneburger Heide besuchte Fritz mit seiner Tochter, der Schauspielerin Friederike Pöschel, den Filmclubabend im Kino Toni in Berlin-Weißensee. Es wurde der DEFA-Spielfilm „Kindheit“ aus dem Jahr 1987 gezeigt, bei dem seine Tochter als Kind mitgewirkt hatte. Ich begrüßte Fritz herzlich und er flüsterte mir seinen gerade errungenen Sieg ins Ohr. Bei meiner Publikumsbegrüßung gratulierte ich Fritz im Namen aller Anwesenden. Was im Schach nicht oft passiert, er bekam einen Riesenapplaus. Es war sein letzter.

Dr. Friedrich Baumbach war ein kulturvoller und gebildeter Mensch. Er war zuverlässig, hilfsbereit und großzügig. Schach war seine Liebe, seine Leidenschaft und sein Leben. Er pflegte eine lebendige Art des Erzählens, gespickt mit humorvollen Anekdoten und geistreichen Bonmots. Unvergesslich wird bleiben sein Mutterwitz, sprühende Lebensfreude und sein herzliches und aus tiefster Seele kommendes Lachen.
Ich habe einen lieben Freund verloren, die Schachwelt einen bedeutenden Schachspieler.
Berlin, 05. Mai 2025
Paul Werner Wagner