In der jetzigen Situation ist es sinnvoll, sich an Erfahrungen zu erinnern, die uns die Geschichte lehrt. Dabei lohnt sich die Befassung mit der Schachkultur.
Der Krieg zwischen dem napoleonischen Frankreich und dem zaristischen Russland, der nach anfänglichen Erfolgen des französischen Despoten in einem dramatischen Rückzugsgefecht endete, fand an der Beresina in Weißrussland im November 1812 seinen Höhepunkt. Noch heute ist die Deutung über die damalige Situation umstritten, gelang Russland ein Sieg oder wurde fahrlässig dank genialer Taktik Napoleons die totale Vernichtung der Grande Armee verspielt? Selbst der Zar soll in dem angeblichen Kriegshelden Kutusow einen Versager gesehen haben, wohingegen Napoleons Armee unter großen Verlusten zumindest in einem noch funktionierenden Kernbestand die Flucht gelang. Gewiss ist wohl nur eines: Zwar gelangen der französischen Übermacht im Russlandfeldzug vorübergehend bedeutende Landgewinne, eine Besetzung der eroberten Gebiete scheiterte aber an dem entschlossenen Widerstand des russischen Volkes, so dass am Ende nur der folgenreiche Rückzug blieb. Dieser Krieg war somit der Anfang vom Ende der napoleonischen Herrschaft. Diese Erkenntnis möge sich die russische Führung vergegenwärtigen. Für den Überfall auf die stolze und mutige Ukraine wird nichts anderes gelten.
Der Urvater des russischen Schachs Alexander Dmitrijewitsch Petrov (12.02.1794 – 22.02.1867) hat dem Sieg über Napoleon eine bekannte Schachkomposition mit einem Matt in 14 Zügen gewidmet, die jeder Schach- und Kulturfreund kennen sollte. Alle die dieses Meisterwerk nachlesen möchten, finden hier den Hinweis. Als Kenner der russischen Geschichte sollte das Schicksal Napoleons der Führung im Kreml geläufig sein.
Aus Sicht der ELG ist das Finale der Petrov‘schen Komposition geradezu prophetisch, denn erst ein „Sidestep“ des Königs ermöglicht der Dame als stärkste Figur das Mattfinale. Möge die Dame das „Mütterchen Russlands“ symbolisieren und der russische Präsident sich daran erinnern, dass er nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist und besser zur Seite treten sollte, damit sich das russische Volk hinter ihm frei entfalten kann. Denn dieser Krieg ist trotz aller Propaganda-Bemühungen kein Krieg des russischen Volkes gegen das ukrainische Brudervolk. Dies zeigen eindrucksvoll auch die Appelle russischer Schachspieler, die allesamt den Krieg Putins gegen die Ukraine und damit gegen die freie Welt verurteilt haben. Dafür sei ihnen im Namen der gesamten Schachwelt gedankt. Deswegen unterstützt die ELG auch den Ansatz, diesen mutigen Schachfreunden unter neutraler Flagge weiterhin die Teilnahme an völkerverbindenden Schachturnieren zu gestatten. Gerade jetzt benötigt die freie Welt kritische Geister und Stimmen in Russland.
Berlin, den 21. März 2022
Thomas Weischede, Vorstand ELG