Dr. Günter Reinemann (26.1.1942-16.7.2018)

Worte des Abschieds

Unser Gründungsmitglied und lieber Schachfreund, mein lieber Freund, Dr. Günter Reinemann ist am 16. Juli 2018 nach langer schwerer Krankheit von uns gegangen.

Sein Tod macht uns traurig, denn wir verlieren nicht nur einen wunderbaren und liebenswerten Menschen, sondern auch einen unermüdlichen Freund und Förderer des Schachs und der Schachkultur.

Zum ersten Mal traf ich Günter1972 in Halle bei der wissenschaftlichen Konferenz des Schachverbandes der DDR zum Thema „Schach und Persönlichkeit“.

Als junger Schachfreund und wissbegieriger Teilnehmer habe ich mit großem Interesse die Vorträge gehört.

Einer der Referenten war Dr. Ing. Günter Reinemann, Dozent an der Technischen Hochschule für Chemie „Carl Schorlemmer“ Leuna-Merseburg. In seinem Vortrag „Entwicklungstendenzen der Programmtechnik beim Computerschach“ sprach er über ein noch in den Kinderschuhen steckendes Gebiet – die Nutzung der Schachcomputer. Als interessierter Wissenschaftler, der sich frühzeitig mit der Informatik beschäftigte, sah Günter die in dieser neuen technischen Entwicklung steckenden Potenzen. Sein Beitrag war innovativ und von bemerkenswerter Weitsicht.

Am Rande der Konferenz kamen wir miteinander ins Gespräch. Von da an gab immer wieder Begegnungen zwischen Günter und mir, so auch als ich Schiedsrichter bei den internationalen Schachturnieren im „Haus des Lehrers“ in Halle 1974 und 1976 war.

Mit großem Respekt habe ich dann Mitte der 1980er Jahre seine Publikation „Computerschach – Schachcomputer“(gemeinsam mit Christian Posthoff) zur Kenntnis genommen. Hier war Günter ein Pionier des technischen Fortschritts.

Mich verband mit Günter auch, dass uns über das Wettkampfspiel hinausgehende Themen im Schach interessierten. Da habe ich in ihm immer einen Gleichgesinnten und  Verbündeten gesehen.

Durch die Gründung der Emanuel Lasker Gesellschaft wurde unser Verhältnis noch enger und freundschaftlicher. Günter war im Januar 2001 einer der über 300 Teilnehmer an der Internationalen Lasker Konferenz in Berlin und Potsdam. Er wurde Gründungsmitglied der Emanuel Lasker Gesellschaft.

Damals war er schon Präsident des Landesschachverbandes von Sachsen-Anhalt, ein verantwortungsvolles Amt, das er 16 Jahre lang mit großem Erfolg ausgeübt hat.

In dieser Zeit erwarb er sich große Verdienste zum Wohle dieser traditionsreichen Schachregion.

Günter war ein engagiertes Mitglied der Laskergesellschaft. Wenn es ihm zeitlich möglich war, nahm er an den Treffen der Laskerianer teil. Oft ist er nach Berlin gekommen oder auch zu Veranstaltungen, die die Emanuel Lasker Gesellschaft in anderen Städten organisiert hat.

Günter nahm häufig am Lasker Masters und am Lasker-ORWO-Pokal-Turnier teil.

In den letzten Jahren hat sich Günter sehr für Dr. Gerhard Köhlers Schachstiftung „Kinderschach in Deutschland“ engagiert. Von der Gründung im September 2016 bis Juni 2018 war er Beiratsvorsitzender. Und als Beiratsmitglied konnte ich erleben, wie viele Ideen er einbrachte und wie sehr ihm diese Initiative für das Kinderschach am Herzen lag.

Günter war fest davon überzeugt, dass Schach einen wertvollen Beitrag in der menschlichen Gesellschaft zu leisten vermag, vom Kindergarten bis ins hohe Alter.

Er engagierte sich sehr dafür, dass es bundesweit mehr aktive Angebote an Kinder und Jugendliche in den Schulen und Schachvereinen geben sollte. Das wäre eine wichtige staatliche Aufgabe, die jedoch in Deutschland vom Bund und den Ländern so gut wie nicht wahrgenommen wird.

Nach seinem Ausscheiden als Präsident übernahm er im Landesschachverband Sachsen-Anhalt die Verantwortung für das Seniorenschach.

Günter, der Ingenieur , Informatiker und Wissenschaftler, war obendrein auch noch organisatorisch begabt. Ihn zeichneten in seiner Arbeit Akribie, Präzision und Zuverlässigkeit aus. Auf Günters Wort konnte man sich hundertprozentig verlassen – ein hoher Wert in dieser Zeit.

Schach hat ihm zeitlebens Freude bereit. Aber nicht nur am Brett. Günter wusste, dass das Spielen allein nicht genügt, sondern dass man selbst auch etwas beitragen muss für den Erhalt und die Förderung des Spielgedankens.

So war es für ihn selbstverständlich, sich in seinen jeweiligen Schachvereinen aktiv an der Organisation zu beteiligen. Und trotz starker beruflicher Anspannung investierte er viel Zeit in die ehrenamtliche Tätigkeit als Schachorganisator oder Schachfunktionär. An der erfolgreichen Entwicklung des Schachs in Sachsen-Anhalt  hat Günter entscheidenden Anteil.

Er war ein aktives Mitglied seines Schachvereins, der USV Halle. Ihm war es wichtig, diesen traditionsreichen Verein zu unterstützen.

Lebendig in Erinnerung geblieben ist mir seine Laudatio auf der Feier zum 60. Geburtstag von Dr. Gerhard Köhler.

Günter war es wichtig, die Leistungen anderer zu erkennen und zu würdigen. In Gerhard Köhlers phantastischem Engagement sah er eine wunderbare Umsetzung eigener Ziele: die Verbreitung des Schachs unter Kindern.

Was für eine tolle Sache, wenn Kinder spielend denken lernen.

Wenn sie lernen, den anderen zu respektieren, wenn sie erfahren, dass man bei Niederlagen die Fehler bei sich selber suchen muss.

Und außerdem hilft Schach, Menschen miteinander zu verbinden über Sprachbarrieren, Religionen, Kulturen  und soziale Schranken hinweg.

Toleranz war ein Wesenszug von Günter. Ich habe ihn nie über einen anderen Menschen negativ sprechen hören. Positives Denken und der Glauben an das Gute war sein Credo.

Günter war ein offener, warmherziger und freundlicher Mensch. Man konnte seine Lebensfreude und seinen Lebensmut spüren. Und er war offen für Kunst und Kultur, interessiert an Wissenschaft, Geschichte und Politik.

Jede Begegnung mit ihm und seiner Frau waren für mich, und ich denke für viele Menschen ebenso, eine Freude.

Bewundernswert, wie tapfer Günter jahrelang gegen seine heimtückische Krankheit angekämpft hat. Auch in dieser für ihn und seine Familie letzten so schweren Zeit zeigte er menschliche Größe. Er hat sich am Ende seines Lebens von seiner Familie und von den engsten Freunden in rührender Weise persönlich verabschiedet im Wissen darum, dass er bald sterben muss.

In der Stunde des Abschieds und des Gedenkens möchten wir Günter noch einmal Dank sagen, für all sein unermüdliches Engagement im Dienste der Popularisierung und Förderung des Schach und der Schachkultur, für seine Freundlichkeit und Güte, für seine Herzenswärme und sein Verständnis für andere, für seine vorbildlich gelebte Menschlichkeit.

Wir fühlen mit seiner Frau Christine, seinen Kindern und Enkeln den Schmerz des Verlustes.

Wir wissen sehr genau, was wir an ihm verloren haben!

Aber wir wissen auch, dass Günter in der Erinnerung vieler Menschen lebendig bleibt.

Paul Werner Wagner

Vorsitzender der Emanuel Lasker Gesellschaft             Berlin, den 18. Juli 2018