Am Wochenende vom 26. bis 27. August 2023 fand in Barlinek (Polen) das 4. Lasker-Festival im Schnellschach statt. Erstmals begleitete ich als Mitglied der Emanuel Lasker Gesellschaft (ELG) deren rührigen Vorsitzenden Thomas Weischede, in früheren Zeiten ein starker Bundesligaspieler aus NRW, auch heute noch ein Spieler respektabler Stärke, auf der Fahrt durch eine wunderschöne Landschaft, die mir bereits von zwei früheren Reisen nach Kórnik, wo ich den Nachlass von Thilo von Heydebrand und der Lasa studieren konnte, vertraut war. Diesmal stand das Spielen im Vordergrund, aber auch die Schachkultur kam nicht zu kurz. Thomas zeigte mir Laskers Geburtshaus, das bewohnt und mit einer Gedenktafel versehen ist. Bei der Gelegenheit wurde uns bewusst, dass über Laskers Eltern, besonders ihr Grab, das sich in Barlinek befinden sollte, noch relativ wenig bekannt ist.
Auf dem Weg vom Hotel zum Spiellokal, dem Europäischen Begegnungszentrum, begegnet man Lasker im nach ihm benannten Park in einem informativen Schaukasten.
Unter den 31 nur männlichen Teilnehmern des A-Turniers befanden sich 12 Deutsche, darunter eine starke Fraktion aus Rostock, die der Beauftragte für Deutsch-Polnische Beziehungen Dr. Hans-Jürgen Hochgräfe, langjähriger Vizepräsident im Deutschen Schachbund, um sich versammelt hatte. Im B-Turnier traten 16 Jugendliche gegeneinander an.
Die Unterstützung dieses Turniers gehört zu den regelmäßigen Aktivitäten der ELG, deren Schwerpunkt nicht das Turnierschach, sondern die Pflege des Kulturguts Schach als ein Medium zur friedlichen Verständigung der Völker ist. Und da ist der Weltmensch Lasker ein idealer Botschafter. Thomas Weischede sieht in den Kontakten zu Polen sicher mit Recht eine besondere Verantwortung für uns Deutsche, gerade zum Jahrestag von Hitlers Überfall (1. September 1939). Dass die führende Schachnation die Lehren Sissas, des legendären Erfinders des Schachspiels, einmal so mit Füßen treten würde, wie wir es am 24. Februar 2022 erlebt haben, macht es besonders brutal deutlich, wie sehr sich das reale Leben vom friedlichen Gens una sumus des Schachs unterscheidet. Umso wichtiger ist es, den hehren Anspruch in realen Begegnungen mit Leben zu erfüllen.
Zu den begleitenden Aktivitäten gehörte eine Vorstellung der von der ELG herausgegebenen Lasker-Bände, über die der bekannte polnische Schachhistoriker Tomasz Lissowski berichtete. Zu meiner Überraschung präsentierte Tomasz auch die ganzseitige Besprechung der Trilogie durch Jürgen Kaube am 07.09.2022 in der Frankfurter Allgemeinen, wo die englischsprachige Ausgabe in den höchsten Tönen gelobt wurde. Tomasz ging in seinem interessanten Vortrag When did the first Laskers appear in the world, where and why? auf die Entstehung des Familiennamens Lasker und damit auf die Herkunft jüdischer Namen ein.
In einem zweiten Vortrag stellte Tomasz die Lasker-Bände vor, wobei er besonders die Rolle von Dr. Michael Negele als Spiritus Rector hervorhob.
Ein weiteres Highlight war ein zweisprachiger Vortrag von Andi Zemmrich aus Dresden über sein Projekt Chess4kids. Andi spricht sehr gut Polnisch. Er hat in Polen studiert und ist mit einer Polin verheiratet. Da ihm die deutsch-polnische Verständigung sehr am Herzen liegt, ist er mit seinem Projekt ein idealer Partner für eine Zusammenarbeit mit der ELG.
Mehr Informationen findet man auf der Webseite zu Chess4kids.
Die Organisatoren gaben sich sogar die Mühe, André Schulz von ChessBase für das Bewerben der Veranstaltung eine persönliche Urkunde auszustellen.
Herbert Bastian
04. September 2023