Paul Werner Wagner mit der Ehrenmitgliedschaft der Emanuel Lasker Gesellschaft ausgezeichnet

Nach 18 überaus erfolgreichen und schaffensintensiven Jahren hat sich das Gründungs- und Vorstandsmitglied Paul Werner Wagner, der seit Gründung auch Vorsitzender der ELG war, entschlossen, nicht mehr für den Vorstand der ELG zu kandidieren. Er verkündete dies offiziell auf dem Abschlussempfang der ELG zum Laskerjahr 2018 in der Galerie „Die Möwe“.

Dies nahm die ELG zum Anlass, Paul Werner Wagner für sein Engagement mit der Ehrenmitgliedschaft zu ehren. Dies ist die höchste Auszeichnung, die die ELG einem Mitglied oder Dritten verleihen kann. Paul Werner Wagner befindet sich damit in namhafter Gesellschaft, die von den Ehrenmitgliedern Altbundespräsident Prof. Dr. Richard von Weizsäcker, den Schachlegenden Wolfang Unzicker, Lothar Schmid, Dr. Helmut Pfleger bis zu den im Laskerjahr mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichneten ehemaligen Weltmeisterschaftskandidaten und Schachhelden Vlastimil Hort, Dr. Robert Hübner und Artur Jussupow reicht.

Die Laudatio auf Paul Werner Wagner hielt der Vizepräsident der Deutschen Schachbundesliga Ulrich Geilmann, der es sich trotz seiner terminlichen Verpflichtungen während der parallel in Berlin durchgeführten zentralen Spielrunden der Bundesliga und des am selben Abend zur Ehrung von Emanuel Lasker durchgeführten Blitzturnieres, das Fabiano Caruana gewann, nicht nehmen ließ, als engagiertes Mitglied der ELG diese Würdigung zu begleiten.

Herr Ulrich Geilmann bei seiner Laudatio

Hier der Text der Laudatio:

„Guten Abend meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zunächst möchte ich mich vorstellen: Mein Name ist Ulrich Geilmann. Heute Abend bin ich so etwas wie der diplomatische Dienst der Schachbundesliga. Das trifft sich insoweit gut, als dass ich zugleich seit einigen Jahren auch Mitglied der ehrenwerten Emanuel Lasker Gesellschaft bin. Doch Sie werden mit Fug und Recht fragen, was ich hier eigentlich mache!? Nun, mir wurde gesagt, ich solle eine Laudatio halten… für einen gewissen… Paul Werner Wagner. Kennt eigentlich irgendjemand von Ihnen diesen… Paul Werner Wagner? Also ich darf gestehen, dass mir dieser Name noch vor einigen Jahren überhaupt nichts sagte. Allerdings muss ich an dieser Stelle auch einräumen, dass dieser Umstand ausschließlich meiner vollkommenen Halbbildung geschuldet war. Wäre ich einmal auf die Idee gekommen, über den Tellerrand meiner niederrheinischen Provinz zu schauen, hätte mich das Wirken dieses Literaturwissenschaftlers, Kulturmanagers und Schachfunktionärs geradezu anspringen müssen. Also – wer oder was ist denn jetzt nun dieser… Paul Werner Wagner?

Paul Werner wird am 11. August 1948 in Wolfen geboren. Er beginnt 1965 sein Berufsleben in Löberitz mit einer Lehre als – man merke sich das für einen kurzen Moment – Rinderzüchter. In dem kleinen Ort kommt er auch mit dem organisierten Schach in Kontakt. Nach seinem erweiterten Oberschul-Abschluss wird die zarte Schachkarriere allerdings jäh unterbrochen. Der junge Mann ist ein Freigeist und leitet zu dieser Zeit einen viel beachteten Debattierklub. Nachteilig ist, dass diese Aufmerksamkeit auch vom Mielke-Ministerium geteilt wird. Die Lage wird immer kritischer und Paul Werner entschließt sich schließlich 1967 zu einem Fluchtversuch, der allerdings an der tschechisch-ungarischen Grenze dramatisch endet. Er wird dort festgenommen und anschließend wegen Landesverrats und Republikflucht zu 19 Monaten Einzelhaft verurteilt. Dem Vernehmen nach verbüßt diese Haft im Stasi-Gefängnis – man merke auf – „Roter Ochse“ in Halle. Angesichts Seite 3 von 6 seiner landwirtschaftlichen Grundausbildung zeugt diese Unterbringung entweder von der Ironie des Lebens oder vom dem eher schrägen Humor der seinerzeit staatlich gelenkten Justiz. Wie auch immer. Im Gefängnis schiebt sich das Schachspiel wieder in den Vordergrund, die dem jungen Mann wohl ein wenig über die schweren Stunden hinweghilft. Man könnte fast auf die Idee kommen, dass das Leben hier die Kunst imitiert. Analogien zur Schachnovelle liegen jedenfalls auf der Hand; nur das Paul Werner eben nicht verrückt wurde. Im Gegenteil – sein Blick wurde auf das Wesentliche geschärft. Er findet zu sich und seine eigentliche Bestimmung. Nach sieben Jahren Bewährung in der Produktion studiert Paul Werner also an der Humboldt Universität Berlin die Fächer Kultur- und Literatur-wissenschaften. Anfang der siebziger Jahre gehört Paul Werner dann auch wieder zu den stärksten Schachspielern des Landkreises Bitterfeld. Als Vereinsspieler, Schiedsrichter und Schachorganisator lernt er die Strukturen des DDR-Schachs aus eigenem Erleben kennen und gehört zugleich zu dessen profunden Kritikern.

In den letzten Jahren vor der Einheit engagierte sich Paul Werner aktiv in der Bürgerrechtsbewegung. Man hätte es eigentlich erwarten können, wenn ich das jetzt einmal augenzwinkernd sagen darf. Von 1994 bis 1997 war er geschäftsführender Gesellschafter der Palamedes Agentur für europäische Kommunikationskultur GmbH. Im Jahre 2001 macht Paul Werner mit der vielbeachteten Potsdamer Konferenz zum 60. Todestag von Emanuel Lasker auf sich aufmerksam. Er gründet mit einigen Mitstreitern die Emanuel Lasker Gesellschaft und bleibt dessen Vorsitzender. Er ist sicher der Motor dafür, dass unser Verein neben der Bewahrung des Andenkens an den einzigen deutschen Schachweltmeister auch den Schachfreunden einen Anlaufpunkt bietet, denen – so wie auch mir – die kulturelle und historische Seite des Schachs am Herzen liegt. Von 2002 bis 2010 war er darüber hinaus Vorsitzender des Künstlerklubs DIE MÖWE. In diese Zeit fällt die Ausstellung von Schach und Politik im Haus der Deutschen Geschichte in Bonn 2007. Ab 2012 ist er dann zudem Vorsitzender der Friedrich-Wolf-Gesellschaft. In der ganzen Zeit war er darüber hinaus Autor und Herausgeber mehrerer Bücher. Er ist insofern auch einer der wichtigen Unterstützer der Lasker-Monographie in 2009. Fast schon legendär sind zudem seine vielen öffentlichen Gesprächsrunden mit zahlreichen Schachgrößen wie Lilienthal, Unzicker, Schmidt, Uhlmann und Jussupow. Hier alle aufzuzählen hieße Eulen nach Athen zu tragen. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist schließlich die Aufnahme von Lasker in die Hall of Fame des Deutschen Sports 2018 durch die Deutsche Sportstiftung. Was kann man denn sonst noch über ihn finden, wenn man gräbt? Nun, aus erster Ehe hat er eine Tochter. In zweiter Ehe war er mit der Internationalen Meisterin Annett Michel verheiratet, der er einen Doppelnamen verpasst. Eine Schachehe, aus der ein Sohn hervorgeht, der kürzlich – wie wir gerade gehört haben – den Genpool in die nächste Generation getragen hat. Aber sonst? Was man der Vita aber eben nicht ansieht, ist der menschliche Faktor. Paul Werner ist für mich und die Schachbundesliga, die ich hier und heute als Vizepräsident vertrete, das, was man mit Fug und Recht einen Schachfreund nennen darf. Schachfreunde überwinden Altersunterschiede, nationale Grenzen, kulturelle und politische Differenzen. Gens Una Sumus – Wir sind eine Familie und genau dieses Gefühl vermittelt Paul Werner Wagner! Er ist ein Humanist. Etwas Besseres kann man über einen Zeitgenossen nicht sagen. Insofern ist der Schritt, der Lasker Gesellschaft, ihn nach seiner Entscheidung, nicht mehr für den Vorstand zu kandidieren, zum Ehrenmitglied zu ernennen, mehr als konsequent. Schreiten wir also zur Tat. Von hier aus schon einmal meine herzlichen Glückwünsche dazu!

Meine sehr verehrten Damen und Herren?! Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!“

Auf dem Empfang, an dem neben dem Mitherausgeber der neuen Laskertrilogie Dr. Michael Negele, der Herausgeber des Schachkulturmagazins KARL Harry Schaack, die beiden Erstplatzierten des Karikaturwettbewerbs der ELG auch viele Mitglieder der ELG teilnahmen, wurde auch erstmals das Laskerportrait gezeigt, das der namhafte Künstler Armin Müller-Stahl geschaffen und der ELG gewidmet hat.

m Namen des Vorstandes dankte Thomas Weischede dem Geehrten für sein langjähriges Schaffen und versicherte ihm, dass die ELG in seinem Sinne fortgeführt würde. Paul Werner Wagner nahm die Ehrung sichtlich gerührt entgegen und versicherte, dass er der ELG natürlich auch weiterhin aktiv verbunden bleiben würde.

Laskerportrait von Armin Müller-Stahl

Für die ELG ist dieser Moment historisch, weil der damit verbundene Wechsel im Vorsitz der ELG nicht nur mit dem formellen Abschluss des Laskerjahres 2018 der ELG zusammenfällt, sondern auch mit der Erlangung der „Volljährigkeit“ der ELG nach 18 Jahren. Wegen der vielen Veranstaltungen, die die ELG im Laskerjahr durchgeführt hat, dauerte diese weltweite Feier zu Ehren des 150 Geburtsjahres von Dr. Emanuel Lasker bei der ELG von Dezember 2017 bis März 2019.

Thomas Weischede betonte bei seiner Würdigung von Paul Werner Wagner folgendes:

„Lieber Paul,

ohne Dich gäbe es die ELG nicht, ohne Dich wäre die ELG in den ersten 18 Jahren auch nicht so erfolgreich gewesen und ohne Dich wäre die ELG keine Plattform, auf der sich kulturaffine Charaktere aller Fachrichtungen austauschen können und ausgetauscht haben. Der von Dir geschaffene Rahmen ermöglichte es, dass aus Gleichgesinnten und Gefährten im Geist vielfach Freunde wurden, die gern bereit waren, sich für die guten Zwecke der ELG zu engagieren. Du hinterlässt daher mit Deiner Entscheidung ein schweres Erbe. Für all Deinen Einsatz, Deine Leidenschaft und Deinen nimmermüden Kampf zur Förderung des Schachs als Kultur- und Bildungsgut gebührt Dir besonderer Dank. Über die gemeinsame Zeit bei der ELG wurden wir zu guten Freunden. Es ist mir daher eine besondere Freude, Dir im Namen des Vorstandes der ELG die Ehrenmitgliedschaft verleihen zu dürfen. Dass Du als engagiertes Ehrenmitglied der ELG verbunden bleiben wirst, begrüße ich sehr. Der Vorstand der ELG wird sich bemühen, sich Deinem Erbe würdig zu erweisen.“

Paul Werner Wagner und Thomas Weischede auf dem Abschlussempfang der ELG
zum Laskerjahr 2018 mit dem Portrait des „alten Meisters Dr. Lasker“ von Armin Müller-Stahl