Am 13. und 14. August 2021 ehrte die ELG die 100-jährigen Jubiläen der Schachverbände von Frankreich, Österreich, Belgien, Ungarn und Italien mit einem eigenen Festival, an dem Schachfreunde aus aller Welt teilnahmen.
Die Jubiläen der Verbände standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, die am Freitagabend beim Schachclub Kreuzberg den Auftakt bildete. An dieser Diskussion nahmen die Schachlegende Vlastimil Hort und die Schachhistoriker Prof. Dr. Frank Hoffmeister und Herbert Bastian teil.
Als Moderator konnte der berühmte Kabarettist Matthias Deutschmann gewonnen werden, der selbst ein begeisterter und guter Schachspieler ist und die Teilnehmer angesichts der runden Jubiläen und internationalen Besetzung einlud, mit ihm gemeinsam den Antrag auf Aufnahme des Schachs als Weltkulturerbe vorzubereiten.
Die Eröffnungsrede hielt der Vorsitzende der ELG, Thomas Weischede, der besonders hervorhob, wie Schach die Welt verbindet und das Schach vor allem auch in Europa ständig Grenzen überwindet und Menschen verbindet. Daran sollte mit dem Event just am 60. Jahrestag des Mauerbaus erinnert werden, damit sich solche Ausgrenzungen – die dem Schach fremd sind – nie wiederholen. Deswegen sei es immer gut, Gutes zu tun. Wichtig sei aber auch, darüber zu sprechen. Denn wenn viele gemeinsam Gutes tun, kann dies den Erfolg für alle nur steigern. Da Schach keine Grenzen kennen würde, böte es dafür den besten Rahmen, was auch den Zuspruch zu diesem Festival zeigen würde, nahmen doch Gäste aus über 20 Ländern teil.
Am selben Ort fand am Samstagnachmittag auch ein Simultan von Deutschlands spielstärkster Großmeisterin Elisabeth Pähtz gegen eine international besetzte Auswahl von 20 Kindern und Jugendlichen statt. Dem Schachclub Kreuzberg war es dabei gelungen, Spielerinnen und Spieler aus 15 Nationen zu gewinnen, die der Großmeisterin alles Können abverlangten. Mit zwei Niederlagen, drei Remisen und 15 – oft hart umkämpften – Siegen begeisterten die Partien die Zuschauer, die aufgrund der Pandemie leider nur unter strengen Auflagen „kiebitzen“ konnten.
Elisabeth Pähtz am Zug (Foto: Dana Reizniece-Ozola) Elisabeth Pähtz (2.v.re.) und Brigitte Große-Honebrink (1.v.re) mit einigen der jungen Talente (Fotos: Thomas Weischede)
Vor dem Simultan fand am Samstagvormittag noch die Hauptfeierlichkeit mitten im Herzen von Berlin am Brandenburger Tor statt. Die Stiftung Familienunternehmen hatte es sich nicht nehmen lassen, das kulturelle Engagement der ELG mit einer Einladung in ihre Räume am Pariser Platz 6a zu unterstützen.
In Sicht und Rufweite zur französischen Botschaft referierte Prof. Dr. Frank Hoffmeister über die von ihm zusammen mit Herbert Bastian und Jean-Francois-Leconte initiierte Konferenz zu Ehren des Französischen Schachverbandes, die im März 2021 online durchgeführt wurde und viele neue Erkenntnisse zur Entwicklung des Schachs in Frankreich und Europa zu Tage gebracht hat. Die Herausgabe des Tagungsbands zur Konferenz wird von der ELG unterstützt. Das Werk soll Ende des Jahres erscheinen und Anfang 2022 gesondert vorgestellt werden.
Der Festivalrahmen bot eine prächtige Kulisse, um an verdiente Persönlichkeiten jeweils einen Lasker und Viktor 2021 zu verleihen. Aus Anlass des 20-jährigen Geburtstages der ELG werden in 2021 insgesamt vier Lasker und vier Viktor verliehen. Der Lasker 2021 für herausragende Verdienste um die Förderung des Schachs als Kultur- und Bildungsgut ging an Björn Lengwenus, der es sich nicht nehmen ließ, in seiner Dankesrede einen kurzen Rück- und Ausblick über die vielen Projekte zu geben, die er schon initiiert und umgesetzt hat oder plant.
Ehrungen ist der Preisträger gewöhnt, wurde er vor kurzem doch schon mit dem Sonderpreis des Goldenen Kamera Digital Awards und dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Sichtlich gerührt nahm er freudestrahlend diese besondere Ehrung entgegen. Seine anschließenden Beiträge zu seinem vielfältigen Wirken in den letzten Jahrzehnten sorgten unter den Gästen für besondere Momente mit „Gänsehaut-Feeling“.
Der zweite Viktor 2021 wurde an Dana Reizniece-Ozola verliehen, die seit kurzem das Amt der Generalsekretärin des Weltschachverbandes FIDE inne hat und sämtliche Teilnehmer mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für das Schach in ihren Bann zog. Sie ist selbst seit vielen Jahrzehnten eine herausragende Spielerin, aber auch außerhalb der Schachwelt erfolgreich, bekleidete sie doch fast zehn Jahre lang Spitzenämter in der lettischen Regierung. Sie verriet, dass Schach vor allem das Talent fördert, für den Erfolg hart arbeiten können zu müssen. Die Rede wurde mit langanhaltendem Applaus bedacht. Thomas Weischede überreichte der Preisträgerin den Viktor mit dem Wunsch, dass eine derart exzellente Botschafterin des Schachsports der FIDE und der Schachwelt möglichst lange in der jetzigen Position erhalten bleiben möge und die ELG gern bereit sei, das Schach mit der FIDE weiter zu fördern. Anlässe dafür gäbe es in Hülle und Fülle, denke man nur an die Vergabe der Grand-Prix-Serie durch die FIDE nach Berlin von Februar bis April 2022, was kurz vor dem Festival „just on time“ verkündet worden war, oder an das 100-jährige Bestehen der FIDE in 2024.
Den Abschluss der Vormittagsveranstaltung bildete eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion, die sich mit dem Erfolg der Netflix-Serie „The Queen’s Gambit“ und dem Frauenschach befasste. Auf dem Podium waren mit Dagmar Jenner die Obfrau der Vereinigung Frau Schach aus Wien, mit Olga Birkholz die Vizepräsidentin des Deutschen Schachbundes für Verbandsentwicklung und mit der Schachgroßmeisterin Elisabeth Pähtz drei profunde Vertreterinnen des Frauenschachs vertreten.
Dagmar Jenner – Obfrau „Frau Schach“ aus Wien Olga Birkholz – Vizepräsidentin Verbandsentwicklung DSB Elisabeth Pähtz – deutsche Weltklasseschachspielerin
Komplettiert wurde die Runde spontan von Thomas Weischede, der für die leider kurzfristig verhinderte Andrea Schmidbauer aus Graz einsprang.
Moderiert wurde auch diese Runde von Matthias Deutschmann, der souverän und pointiert das Schach aus weiblicher und männlicher Sicht hinterfragte.
Thomas Weischede (Foto: Bernhard Riess) Matthias Deutschmann (Foto: Bernhard Riess)
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass das Frauenschach durch die Netflix-Serie einen Aufschwung erfahren hat, den es zu nutzen gilt. Über die Wege dahin gab es durchaus unterschiedliche Ansichten, was die Debatte ebenso lebhaft wie unterhaltsam ausfallen ließ. Aufgrund des limitierten Zeitrahmens musste Thomas Weischede diese Debatte leider nach über 75 Minuten viel zu früh beenden, fand aber noch die Zeit, sich bei allen Gästen mit einem besonderen Geschenk zu bedanken. In Erinnerung an das letzte Event der ELG vor Beginn der Pandemie, der als deutsch-irischer Literaturabend dem Thema „chess and crime“ gewidmet war, gab es für die Herren einen irischen Whiskey der Marke Grace O’Malley und für die Damen einen irischen Gin der Marke Grace O’Malley.
Damit erinnerte Thomas Weischede zugleich daran, dass das für 2020 geplante Event in Galway – damals eine der Kulturhauptstädte Europas – pandemiebedingt ausfallen musste und hoffentlich in 2022 zusammen mit dem Goethe-Institut nachgeholt werden kann. 2020 sollte der zweite Band der neuen Lasker-Trilogie vorgestellt werden. 2022 erscheint der dritte und letzte Band, der dann Mittelpunkte des gemeinsamen Events mit dem irischen Schachfreunden sein soll.
Matthias Deutschmann mit einem Grace O’Malley Whiskey
(Foto: Bernhard Riess)Preise der ELG: Lasker, Viktor, Bände I und II der Trilogie
sowie Grace O’Malley Gin (Foto: K. Kremp)
Als kleinen Dank für die Gastfreundschaft ließ es sich die ELG nicht nehmen, dem Gastgeber für seine Bibliothek die ersten beiden Bände mit der Nr. 20 zu überreichen, verbunden mit dem Versprechen, den dritten Band mit gleicher Nummer in 2022 nachzureichen. Herr Sohn nahm dieses Versprechen gern an und bedankte sich herzlich bei allen Mitwirkenden für das gelungene Event.
Nach dem Event nutzten die beiden Preisträger Dana Reizniece-Ozola und Björn Lengwenus zusammen mit Matthias Deutschmann, Klaus Sohn und Thomas Weischede noch den prominenten Ort, um mit Blick auf die französische Botschaft und dem Brandenburger Tor im Hintergrund vom Pariser Platz aus der Schachwelt schon einen Gruß aus Berlin im Vorgriff auf die Grand-Prix-Serie in der Schachmetropole Berlin zu senden.
(Foto: Bernhard Riess)
Zum Gelingen des Events trug maßgeblich bei, dass mit dem österreichischen Restaurant Ottenthal eine vorzügliche Verköstigung aller Gäste gelang.
Alle Teilnehmer waren sich einig, dass die Veranstaltungsreihe chess4europe alsbald fortgesetzt werden soll. Dazu gab es im geselligen Austausch eine Fülle von Ideen und Vorschlägen, die von den Vorstandsmitgliedern der ELG dankbar aufgegriffen wurden und bis zum 150-jährigen Jubiläum des DSB in 2027 weitere überaus interessante und unterhaltsame Kulturereignisse verheißen.
(Foto: Bernhard Riess)
Berlin, im August 2021
Vorstand ELG