Schachnation Deutschland – eine Erfolgsstory

Bei der Europameisterschaft in Batumi gewann die deutsche Frauennationalmannschaft mit viel Team- und Kampfgeist souverän die Bronzemedaille. Ohne die Niederlage in der letzten Runde wäre sogar noch mehr möglich gewesen. In einem konstant guten Team waren Hanna Marie Klek und Kateryna Dolzhykova die besten Einzelspielerinnen.

Bronze für Deutschland:
Zahar Efimenko, Josefine Safarli, Hanna Marie Klek, Lara Schulze, Kateryna Dolzhykova,
Dinara Wagner und Wolodymyr Baklan (Foto: Finn Engeser)

Die Männernationalmannschaft, die erstmals bei einer EM Setzlisten-Erster und damit hoher Favorit war, hätte es nach unglücklichem Start fast noch auf das Podium geschafft, wurde aber am Ende undankbarer Vierter. Nach der Silbermedaille bei der letzten EM 2023 ist aber auch dies eine hervorragende Leistung. Vor allem die Leistung von GM Vincent Keymer am Spitzenbrett war absolute Weltklasse.

Das deutsche Team bei der Siegerehrung 2023:
Vincent Keymer, Rasmus Svane, Dimitri Kollars, Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Jan Gustafsson (Bundestrainer)
Bei der EM 2025 hat Frederik Svane für Alexander Donchenko gespielt.
(Foto: Paul Meyer-Dunker/DSB)

Die ELG gratuliert daher beiden deutschen Nationalmannschaften zu diesen weiteren Erfolgen. Bei den Männern fehlte in zwei-drei Partien das nötige Quäntchen Glück, um 2025 noch besser abzuschneiden als 2023. Bei den Frauen ist die Leistung umso beeindruckender, weil mit GM Elisabeth Pähtz die einzige deutsche Schachspielerin, die bislang den GM-Titel auch bei den Männern erringen konnte, wegen einer Spiel-Pause fehlte. Allen Unkenrufen zum Trotz, die nach den zuletzt etwas wechselhaften und unglücklichen Leistungen unserer Nationalspielerinnen schon eine Krise des deutschen Frauenschachs heraufbeschwören wollten, ist dieser Erfolg daher ein starkes Signal, dass auch und gerade Titel und Elozahlen im Schach nicht alles sind, sondern gerade bei Mannschaftswettbewerben der Teamspirit genauso wichtig ist. Dieser Spirit ist in beiden deutschen Teams hervorragend. Den ausführlichen Bericht zur EM finden Sie hier.

Damit nicht genug, hat sich der Doppeleuropameister GM Matthias Blübaum vor kurzem für das Kandidatenturnier 2026 qualifiziert. GM Vincent Keymer hat noch beste Chancen, es ihm gleich zu tun. Nach seiner hervorragenden Performance von 7 Punkten aus neun Partien am 1. Brett bei der EM in Batumi ist er inzwischen auf Platz sechs in der Weltrangliste mit enger Tuchfühlung zu den Plätzen vier und fünf. Nach Lasker und Tarrasch haben wir damit wieder zwei Spieler, die das Niveau und Potenzial haben, um die WM-Krone zu spielen. Vor ihnen gelang dies Anfang der 70-er Jahre nur dem Anfang des Jahres verstorbenen GM Dr. Robert Hübner und der 2020 verstorbenen Schachlegende GM Wolfgang Uhlmann, beides enge Freunde der ELG. 1908 kämpften sogar Lasker und Tarrasch im bislang einzigen rein deutschen Duell untereinander um den WM-Titel. 100 Jahre später fand in Bonn der letzte WM-Kampf in Deutschland statt, den Vishy Anand gegen Wladimir Kramnik für sich entscheiden konnte. Wir sollten uns angesichts der aktuellen Erfolge dafür wappnen, dass weitere WM-Kämpfe mit deutschen Spielern keine Utopien mehr sind.

Angesichts dieser Erfolge steht die Schachnation Deutschland international aktuell bestens da. König Fußball wäre froh, solche Erfolge vorweisen zu können. Bei internationalen Wettkämpfen werden inzwischen souverän Titel oder Topplatzierungen errungen. In Einzelwettbewerben spielt die deutsche Spitze wieder um den WM-Titel mit. Bei den Männern gibt es dabei in der Breite zwar immer noch deutlich mehr Spitzenspieler als im Frauenbereich. Gerade im Frauenbereich gibt es aber viele Initiativen, diesem allgemeinen Phänomen alsbald entgegenzuwirken. Eine Fülle junger weiblicher Talente sind der Dank dieser Initiativen. Auch dort geben die aktuellen Elo-Zahlen das wahre Niveau nicht wieder. Zu diesen Initiativen mag auch der Erfolg der Netflix-Serie „The Queens-Gambit“ beigetragen haben, die überwiegend in Berlin gedreht wurde. Denn diese Serie hat gezeigt, dass Schach für alle Geschlechter en vogue sein kann, und vor allem Frauen auch im Schach gegen Männer im Sport überaus erfolgreich sein können.

Auch die ELG engagiert sich in der Förderung des Frauen- und Mädchenschachs, was u.a. ein Grund dafür war, zusammen mit dem CSC Aufbau 95 aus Chemnitz ab 2026 alljährlich ein reines Frauenturnier mit internationaler Besetzung um den sog. Chemnitz Chess Cup zu initiieren. Dafür wurde im Rahmen der Chess Challenge Chemnitz bereits geworben. Welche Stadt wäre dafür besser geeignet als die Kulturhauptstadt Chemnitz, die weit über Deutschland und Europa hinaus mit einem fantastischen Programm für Weltoffenheit, Vielfalt und Klasse wirbt. Für diese Werte steht auch das Kulturgut Schach.

Die ELG hofft, dass diese Erfolge unserer Nationalmannschaften und Nationalspieler viele Kinder motiviert, sich intensiver mit Schach zu befassen. Zahlreiche Studien belegen, dass dies ein einfaches und kostengünstiges Mittel ist, der nationalen Bildungsmisere zu begegnen und zugleich sozial zu integrieren. Dabei muss Schach nicht immer professionell betrieben werden, um Titel oder andere Erfolge zu erringen. Auch im Verein oder bei der DSAM ist dies auf jedem Level möglich. Deswegen engagiert sich die ELG auch in diesen Bereichen. Denn jeder Welt- oder Europameister hat seine Karriere einmal als Anfänger und Amateur begonnen. Dies galt selbst für Emanuel Lasker. Diese Wurzel haben alle späteren Meister und Meisterinnen gemeinsam. Wer daher das Vereinsschach oder die DSAM fördert, leistet mittelbar auch stets einen Beitrag zur Förderung des Schachsports in allen Bereichen. Das ständig wachsende Spielniveau im Amateurbereich belegt dies eindrucksvoll. Amateur schlägt Meister ist daher keine Ausnahme mehr. Auch darauf beruht die Erfolgsstory des deutschen Schachs. In der Breite war Deutschland stets ein schachliches Vorbild für andere Nationen. Inzwischen bildet sich dies auch in der Weltelite ab. Die ELG begrüßt deswegen auch die Initiative des DSB, zusammen mit 11Teamsports gebrandete Trikots, Jacken oder Hoodies der Nationalmannschaften erwerben zu können. Denn diese Erfolge verdienen es, überall sichtbar gemacht zu werden. Dass dabei unsere Nationalspieler allesamt beste Schachbotschafter sind und überall die Werte des Schachs von Toleranz, Respekt, Fairplay und Chancengleichheit vorleben, erfüllt die ELG mit Stolz und Demut. Denn unser Motto „Share the values of chess with us“ braucht zur Sichtbarkeit in der medialen Überflutung unserer immer digitaler werdenden Welt auch und gerade solche analogen Idole und Vorbilder! Die ELG hat dabei keine Zweifel, dass unsere Nationalteams künftig bei den Welt- und Europameisterschaften sowie bei den Schacholympiaden das Potential haben, ganz oben um die Titel mitzuspielen. Chapeau – bitte weiter so!

Berlin, im Oktober 2025

Thomas Weischede,

Vorstand ELG